Die Bernsteinzimmer-Saga: Spuren, Irrwege, Rätsel by Günter Wermusch
Autor:Günter Wermusch [Wermusch, Günter]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Politik & Geschichte, Geschichte allgemein
Herausgeber: Ch. Links Verlag
veröffentlicht: 2015-12-31T23:00:00+00:00
Frau Laubes Erinnerung
Der einstige Oberpräsident und Gauleiter von Ostpreußen sowie Reichskommissar der Ukraine, Erich Koch, hielt sich am Ende seines Lebens für einen weisen Mann. Im Gefängnis von Barczewo vermißte er kaum etwas, außer natürlich der Freiheit Mit ihr hätte er in den heutigen »alten Bundesländern« sogar Anspruch auf eine erkleckliche Pension gehabt, etwa in der Höhe wie sie »Kamerad« Karl Wolff, SS-Obergruppenführer und direkter Stellvertreter von Heinrich Himmler, bezog. So gab er den wenigen Journalisten, die zu ihm vorgelassen wurden, meist auch die Auskunft: »Laßt mich frei, und ich sage euch, wo das Bernsteinzimmer liegt.«
Das war die einzig belegbare Aussage des Kriegsverbrechers, wenn man von jener absieht, in der er ausdrücklich erklärte, er wisse nicht, wo das Bernsteinzimmer verblieben sei, da er in den letzten Kriegstagen anderes zu tun gehabt habe, als sich um Kisten zu kümmern.
Zu den sonstigen angeblichen oder tatsächlichen Aussagen Kochs gehörte auch, das Bernsteinzimmer wäre im April 1945 in einem Bunker am Stadtrand von Königsberg verborgen worden. Der Phantasie besonders polnischer Publizisten waren keine Grenzen gesetzt. Da tauchte auch SS-Obersturmbannführer Ringel auf, der angeblich mit direkten Weisungen Hitlers und Himmlers bei Koch mit Befehlen vorstellig geworden sei, das Bernsteinzimmer zu verbergen. Allein die Erwähnung des Namens »Ringel« verwies kategorisch auf den Papierkorb.
Im Februar 1967 hatte ein Korrespondent der »Dzennik Ludowy« über ein Gespräch mit Koch in Barczewo berichtet. Hiernach sei das Bernsteinzimmer in einem Bunker bei der alten katholischen Kirche im Königsberger Vorort Ponarth verborgen worden. Der Bunker sei dann durch Bomben eingeebnet worden.
Enke schrieb über diese Aussage Kochs: »Erstens war die Kirche in Ponarth evangelisch und zweitens war sie 1945 weder gesprengt noch bombardiert worden … Dies bekundete kein Geringerer als der damalige Pfarrer der Kirche.«
Am 18. März 1988 kommt ein Anruf aus Berlin-Weißensee: »Ich stamme aus Ponarth. Man hat Herrn Enke belogen. In Ponarth gab es eine katholische Kirche.« Eine Woche später gibt Frau Irmgard Laube Auskunft über das, was sie damals, »im Herbst oder Winter 1944« selbst erlebt hat. Wladimir Lapski, Korrespondent der Moskauer »Iswestija« in Berlin, ist dabei.
»Ich bin gebürtige Ponartherin«, erzählt Frau Laube, »bin dort kurz vor dem Zusammenbruch noch eingesegnet worden. Mein Vater war der einzige Elektriker im Ort und hatte sich auch um die Elektroanlagen der Gaststätte ›Südpark‹, gleich neben der Brauerei, zu kümmern. Der Besitzer war Georg Beck. Gauleiter Koch hat dort oft seine Saufgelage abgehalten und Krähen gefressen, anderes Wildbret gab es nicht mehr. Ich ging in die Mittelschule an der Schifferdeckerstraße. Das war hier.«
Sie zeigt die Stelle auf dem mitgebrachten Stadtplan. »Und hier oben war die kleine katholische Kirche. Wir Schüler waren des öfteren da. Dort haben wir jedes Jahr auch die Fronleichnamsprozession beobachtet. Die Leute liefen da so um die Kirche herum. Ja, und dann gab es neben der Kirche auch einen Bunker. Der hatte so einen halben Meter Aufschüttung, in der Belüftungsrohre steckten. Kein Luftschutzbunker. Im Spätherbst oder Winter 1944 kamen Leute vom Luftschutz in unsere Schule und sagten, wir sollten die Fenster öffnen, es würde gesprengt. Wir hörten Detonationen, und als wir
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